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Hodenkrebs (Hodenkarzinom)

Autor: Dr. Arne Tiemann/Münster im März 2014

Der Hodenkrebs (Hodenkarzinom)

Häufigkeit und Risikofaktoren

Der Hodenkrebs (Hodenkarzinom) ist eine bösartige Geschwulsterkrankung des Hodens und tritt somit nur beim Mann auf. Bei Männern zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr ist er der häufigste bösartige Tumor. Weltweit ist eine zunehmende Häufigkeit an Neuerkrankungen zu verzeichnen – auch in Deutschland. Die Ursachen hierfür sind unklar.
Ein höheres Erkrankungsrisiko haben Männer, welche in Ihrer Kindheit an einem Hodenhochstand (Leistenhoden) litten. Auch bei einer späteren operativen Korrektur bleibt das Erkrankungsrisiko bei diesen Patienten erhöht. Gesicherte Risikofaktoren sind weiterhin eine Hodentumorerkrankung eines Bruders (genetische Disposition), eine Hodentumor des Gegenhodens, das Vorhandensein von Krebsvorläuferzellen im Hoden (sog. TIN) und eine Fruchtbarkeitsstörung. Unter den Patienten, welche aufgrund eines ungewollten Kinderwunsches einen Urologen aufsuchen, liegt die Häufigkeit einer Hodenkrebserkrankung bei 1:200.

Aus urologischer Sicht empfiehlt sich eine regelmäßige Selbstuntersuchung (Abtasten beider Hoden) durch den Patienten selbst. Sollten Begleitfaktoren bestehen, welche das Erkrankungsrisiko erhöhen (s.o.) kann eine jährliche Kontrolle beim niedergelassenen Urologen mit Ultraschalluntersuchung der Hoden erfolgen, um eine Hodenkrebserkrankung auch in einem frühen Stadium zu entdecken. Ein generelles Programm zur Hodenkrebsfrüherkennung, wie z.B. das Mammographie-Screening bei Brustkrebs, wird in Deutschland nicht betrieben.

Symptome

Häufig fällt eine Hodenkrebserkrankung dem betroffenen Patienten selbst durch eine schmerzlose Verhärtung und/oder Schwellung des betroffenen Hodens auf. Schmerzen im erkrankten Hoden können auftreten, müssen aber nicht mit einer bösartigen Erkrankung zusammenhängen. Nicht selten werden Befunde von Patienten verdrängt oder mit einer Bagatellverletzung („Fußball abbekommen“) erklärt. So kann wichtige Zeit bis zur Diagnosestellung und Therapieeinleitung verstreichen. Ein veränderter Tastbefund des Hodens, besonders bei den erwähnten schmerzlosen Verhärtungen, sollte immer Anlass sein einen Urologen zu konsultieren. Dieser kann mit einer körperlichen Untersuchung und einer Ultraschalldiagnostik einen auffälligen Befund fachgerecht beurteilen. Insbesondere kann hier ein möglicher Hodentumor von gutartigen Veränderungen z.B. am Nebenhoden abgegrenzt werden.

Teilweise werden Hodenkrebserkrankungen auch im Rahmen einer Routinediagnostik wie z.B. Ultraschalluntersuchungen der Hoden bei Fruchtbarkeitsstörungen entdeckt ohne tastbar zu sein. Gelegentlich kann eine aufgrund von anderen Beschwerden durchgeführte Diagnostik zum Befund von unklaren Lymphknotenschwellungen im Bauchraum oder Lungenmetastasen unklarer Herkunft führen. Bei jungen Männern sollte bei derartigen Befunden die körperliche Untersuchung die Hoden immer mit einschließen, um einen evtl. ursächlichen Hodentumor nicht zu übersehen.

Diagnose und Hodentumormarker

Sollte der Facharzt im Rahmen seiner Untersuchung den Verdacht auf einen Hodentumor äußern, oder der Befund nicht sicher von einer gutartigen Veränderung zu unterscheiden sein, wird eine Operation empfohlen.

Zuvor wird Blut zur Bestimmung der sog. Hodentumormarker abgenommen. Es handelt sich hierbei um im Blut zirkulierende Proteine und Enzyme, welche bei einer Hodenkrebserkrankung vermehrt auftreten können:

AFP – Alpha-Feto-Protein,

HCG – Humane Choriongonadotropin

LDH – Lactatdehydrogenase

Diese Laborwerte sind nicht spezifisch. Das heißt, dass eine Erhöhung nicht zwangsläufig durch eine Hodenkrebserkrankung bedingt ist. Leicht erhöhte AFP-Werte finden sich z.B. bei Rauchern und erhöhte LDH-Werte finden sich oft z.B. nach körperlicher Arbeit erhöht. Umgekehrt schließen normale Laborwerte der Hodentumormarker keinen Hodenkrebs aus.

Dennoch geben diese Marker wichtige Aufschlüsse über die Art eines Hodentumors und über die Wahl des Therapieverfahrens. Weiterhin sind diese Laborwerte für die Hodentumornachsorge wichtig.

Als nächster Schritt steht nun die oben erwähnte Operation an. Hierbei wird in Narkose ein Schnitt in der Leiste der betroffenen Körperseite gemacht und Samenstrang und Hoden freigelegt. Am nun offen liegenden Hodenpräparat kann der Urologe entscheiden, ob es sich um einen offenkundig bösartigen Tumor handelt. Sollten Zweifel bestehen kann während der Operation ein sog. Schnellschnitt durchgeführt werden. Hierbei wir eine Probe des Tumorgewebes mittels Kurier an einen Pathologen geschickt und dieser gibt eine erste Einschätzung noch während der Operation ab.

Sollte der Befund sicher bösartig sein, so wird der betroffenen Hoden mit dem Samenstrang der betroffenen Seite entfernt. Aus dem verbliebenen Hoden der Gegenseite wird in gleicher Operation über einen kleinen Schnitt am Hodensack ebenfalls Hodengewebe entnommen. Dies ist nötig, da bei Hodenkrebspatienten teilweise Krebsvorläuferformen im noch gesunden Hoden der Gegenseite gefunden werden können. Zur Therapieplanung und Nachsorge ist die Kenntnis ob bei einem betroffenen Patienten diese Vorläuferformen vorhanden sind wichtig.

Grundsätzlich besteht während der Operation die Möglichkeit einer Hodenprothesenimplantation in das nun leere Fach des Hodensackes. Es handelt sich hierbei um ein Silikonkissen, was in der Größe dem gesunden Hoden angepasst wird. Diese Prothese erfüllt ausschließlich einen kosmetischen Zweck. Funktionen des Hoden, wie Hormonproduktion oder Spermienproduktion, kann sie natürlich nicht übernehmen.

Die gesamte Operation dauert in der Regel 60-90 Minuten und ist mit einem 2-3 tägigen Krankenhausaufenthalt verbunden. Die Operation ist somit für die Diagnosestellung erforderlich, aber auch gleichzeitig der erste wichtige therapeutische Schritt, da hierdurch der eigentliche Tumor aus dem Körper entfernt wird. In besonderen Fällen sind Abweichungen vom oben geschilderten Routine-Vorgehen möglich. So kann z.B. bei einer bereits bei Diagnose fortgeschrittenen Erkrankung mit hoher Metastasenlast der direkte Beginn einer Chemotherapie mit erst nachfolgender Operation notwendig sein.

Andererseits kann bei einem sehr kleinen Tumorbefund in einem Einzelhoden auch ein belassen des restlichen gesunden Hodengewebes diskutiert und auf eine vollständige Entfernung des Einzelhodens verzichtet werden. Hierbei handelt es sich allerdings um individuelle Entscheidungen, welche durch einen versierten Urologen gemeinsam mit dem Patienten getroffen werden müssen.

Folgen der Operation und Möglichkeit der Kryokonservierung

Im Wesentlichen werden durch einen gesunden Hoden zwei wichtige Funktionen erfüllt. Zum einen ist dies die Produktion von männlichen Hormonen (Testosteron), und zum anderen die Produktion von Spermien. Normalerweise reicht ein gesunder Hoden aus um beide Funktionen in ausreichender Form zu erfüllen. Im Rahmen der Nachsorgeuntersuchungen sollten jedoch regelmäßig die Testosteronwerte kontrolliert werden um einen möglichen Testosteronmangel frühzeitig zu erkennen. Sollten im Rahmen der Therapie beide Hoden entfernt werden müssen, oder die Funktion des verbliebenen Hodens nicht ausreichen genügend männliche Hormone zu bilden, ist die medikamentöse Testosteronzufuhr unproblematisch über die Anwendung von Gelpräparaten oder Depotspritzen möglich.

Da meistens jüngere Männer mit noch nicht abgeschlossener Familienplanung von einer Hodenkrebserkrankung betroffen sind, sollte die Möglichkeit einer Kryokonservierung angesprochen werden. Hierbei handelt es sich um das Einfrieren von Spermien welche vom Patienten selbst mittels Masturbation gewonnen werden. Diese Spermien können im Gefrierdepot zeitlich unbegrenzt gelagert werden und später für eine Kinderwunschbehandlung verwendet werden, sofern die Ejakulatqualität sich durch die Therapie des Hodenkrebses dauerhaft verschlechtert haben sollte.

Bislang werden die hierbei entstehenden Kosten nicht von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen übernommen und sind vom Patienten selbst zu tragen. Eine Kryokonservierung kann bereits vor der operativen Entfernung des tumortragenden Hoden, spätestens jedoch vor einer möglicherweise notwendigen Stahlen- oder Chemotherapie erfolgen. Ca. 12 Monate nach Abschluss der Krebsbehandlung empfiehlt sich dann eine Kontrolle des Ejakulatbefundes um die Ejakulatqualität zu prüfen und über die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Kryodepots zu entscheiden.Die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Einschränkung der Fruchtbarkeit ist sehr von Umfang und Art der Hodentumortherapie abhängig. Eine pauschale Zahl kann daher an dieser Stelle nicht genannt werden.

Klassifikation und Therapie

Neben der oben erklärten Operation ist vor Therapie eine Röntgenuntersuchung erforderlich um die Ausbreitungsdiagnostik, das sog. Staging, durchzuführen. Hierbei wird eine Computertomographie des Brustkorbes und Bauchraumes durchgeführt um evtl. vorhandenen Tochtergeschwülste zu erkennen. Diese finden sich häufig in den Lymphknoten entlang der Hauptschlagader (Aorta), aber auch in der Lunge. Seltener betroffen sind Leber, Gehirn und Knochen.

Wenn diese CT-Untersuchungen erfolgt sind, muss zumeist das Ergebnis der feingeweblichen Untersuchung (Histologie) des Hodens vom Pathologen abgewartet werden. Generell wird bei den Hodentumoren zwischen Seminomen und Nicht-Seminomen unterschieden. Beides sind bösartige Tumore und unterscheiden sich in den Therapieverfahren. Gutartige Tumoren kommen in den Hoden zwar vor, sind jedoch deutlich seltener. Die Unterscheidung, welcher Hodentumor vorliegt nimmt der Pathologe vor. Anhand des Berichtes des Pathologen, den Werten der Hodentumormarker und der Ausbreitungsdiagnostik mittels CT kann nun eine genaue Klassifizierung der Hodentumorerkrankung erfolgen. Nach dieser Klassifizierung richtet sich die Auswahl der Therapieoptionen.

Aufgrund der vielfältigen Befundkonstellationen kann an dieser Stelle nur ein sehr grober Überblick über Behandlungsoptionen gegeben werden. Teilweise sind in ein und demselben Erkrankungsstadium verschieden Behandlungsmöglichkeiten gegeben. Eine ausführliche Beratung durch den behandelnden Urologen mit Abwägen der Therapieverfahren und den jeweiligen Vor- und Nachteilen ist bei jedem Patienten individuell notwendig. Ggf. kann auch die Einholung einer Zweitmeinung sinnvoll sein
(www.zm-hodentumor.de).

Therapie des Seminom

Es besteht bei einem auf den Hoden begrenzten Seminom (ohne Metastasennachweis) die Möglichkeit einer engmaschigen Nachsorge ohne weitere Therapie (Active-Surveillance) und die Möglichkeit einer vorbeugenden Strahlentherapie bzw. Chemotherapie (1. Zyklus Carboplatin-Mono, AUC-7). Die Strahlentherapie spielt in diesem frühen Stadium nur noch eine untergeordnete Rolle, aufgrund potenzieller Spätfolgen.

Die Empfehlung zur Wahl des Verfahrens hängt von der Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens der Krebserkrankung (Rezidiv), und damit vom Befund des Pathologen ab. Individuelle Faktoren, wie die Bereitschaft des Patienten zu Mitarbeit, die persönliche Krankheitsverarbeitung und Präferenz spielen auch hier eine Rolle. Der Nutzen einer vorbeugenden Therapie (Senkung des Rezidivrisikos) muss dabei immer gegen Nebenwirkungen und Risiken der Therapie selbst abgewogen werden.

Sollten bereits Metastasen durch das Seminom entstanden sein, so besteht je nach Lokalisation der Metastasen die Möglichkeit einer Strahlentherapie oder einer Chemotherapie. Sollten Resttumoren z.B. in Lymphknoten entlang der Hauptschlagader (Aorta) nach diesen Therapien vorhanden sein, kann eine ergänzende operative Entfernung notwendig sein. Auch in einem fortgeschrittenen Stadium sind die Heilungschancen durch eine fachgerechte Behandlung sehr gut.

Therapie des Nicht-Seminom

Bei einem auf den Hoden begrenzten Nicht-Seminom ohne Metastasenbildung und normalen Hodentumormarkern bestehen ebenfalls die Möglichkeiten zwischen einer engmaschigen Nachsorge (Active-Surveillance) und einer vorbeugenden Chemotherapie (1 oder 2 Zyklen PEB).

Im Unterschied zum Seminom ist die Strahlentherapie keine Behandlungsoption für Nicht-Seminome.

Welches Vorgehen einem Patienten vom Arzt empfohlen wird, ist letztlich wieder Abhängig vom Risikoprofil (histologischer Befund), Mitarbeit und Präferenz des jeweiligen Patienten. Sollten Metastasen bei der Ausbreitungsdiagnostik festgestellt werden, so ist zumeist eine Chemotherapie notwendig. Die Anzahl der Zyklen richtet sich nach Metastasenlokalisation und Höhe der Tumormarker. Meist sind zwischen 3 und 4 Zyklen einer Chemotherapie mit Cisplatin, Etoposid und Bleomycin (PEB-Schema) notwendig. Wenn in der abschließenden Bildgebung nach Chemotherapie Restbefunde der Metastasen darstellbar sind, ist in den meisten Fällen eine chirurgische Entfernung dieser Befunde notwendig. Insgesamt sind auch bei einem Nicht-Seminom mit Bildung von Tochtergeschwülsten die Heilungsraten gut.

Sollte eine Chemotherapie nicht das erwartete Ansprechen zeigen, eine Hochrisikosituation vorliegen, oder nach komplexer Vortherapie ein Rezidiv der Hodenkrebserkrankung auftreten, so ist die Vorstellung des Patienten in einem spezialisierten Zentrum für Hodentumore anzuraten.

Hodentumornachsorge

Eine engmaschige Hodentumornachsorge durch den Urologen ist für alle Hodenkrebspatienten wichtig und unentbehrlich. Die Intervalle der Hodentumornachsorge sind in den ersten 2 Jahren nach der ersten Therapie eng gehalten. In diesem Zeitraum besteht das höchste Risiko eines Widerauftretens der Hodentumorerkrankung. Die Abstände liegen hier meistens bei 3 Monaten. Eine Hodentumornachsorge umfasst eine Ultraschalluntersuchung des verbliebenen Hodens, eine eingehende körperliche Untersuchung und eine Blutentnahme (Bestimmung der Hodentumormarker, Hormonprofil). Die Frequenz der Röntgen und CT-Untersuchungen wird dabei an den Umfang die Primärtherapie angepasst.

Da eine CT-Untersuchung zwar die genauste Methode ist Metastasen durch einen Hodentumor im Körper aufzuspüren, ist diese in der Hodentumornachsorge notwendig. Leider stellt diese Untersuchung für den Patienten auch eine deutliche Strahlenbelastung dar, so dass die Häufigkeit der notwendigen Untersuchungen auf ein Mindestmaß reduziert werden muss. Durch die Strahlenbelastung könnte ansonsten das Risiko sog. Zweitmalignome (Strahleninduzierte Tumore) zu entwickeln stark ansteigen. Üblicherweise wird mit dem Patienten ein Nachsorgeschema vereinbart, was von Arzt und Patient unbedingt eingehalten werden sollte.

Nach dem 5. Nachsorgejahr ist bei unauffälligem Verlauf in der Regel nur noch eine jährliche Untersuchung beim Urologen ohne weitere Röntgenuntersuchungen notwendig.


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