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Harninkontinenz

Autor: Dr. Arne Tiemann/Münster im März 2014

Der unwillkürliche Harnverlust (Harninkontinenz)

Allgemeines

Der unwillkürliche, unkontrollierte Harnverlust wird vom Urologen als Harninkontinenz bezeichnet. Der betroffene Patient ist außerstande, den Zeitpunkt des Wasserlassens selbst zu bestimmen. Dies kann unterschiedliche Ursachen haben. Eine Störung des komplexen Zusammenspiels zwischen Harnblase, Harnröhre, Harnblasenschließmuskel und Beckenbodenmuskulatur kann zu diesem Beschwerdebild beitragen. Beim Mann kann zudem eine vergrößerte Prostata zu einer Blasenentleerungsstörung führen, welche ebenfalls unkontrollierte Urinverluste zur Folge haben kann.

Die Harninkontinenz ist ein verbreitetes Leiden, das bevorzugt Frauen im mittleren und höheren Lebensalter, aber auch jüngere Menschen und Männer betrifft. Durch die zunehmende Lebenserwartung und Patienten, welche auch im höheren Alter ihr Leben aktiv gestalten, kommt dieser Erkrankung eine immer größere medizinische und gesellschaftliche Bedeutung zu.

In Deutschland sind schätzungsweise etwa 6 Millionen Menschen von einer Harninkontinenz betroffen. Oft wird dieses Leiden vom Patienten aus Schamgefühl selbst dem Arzt gegenüber nicht erwähnt. Unangenehme Begleiterscheinungen des unwillkürlichen Harnabgangs können Geruchsentwicklung und Hauterkrankungen im Genitalbereich durch das feuchte Milieu sein.

Der seelische Leidensdruck durch eine Inkontinenz ist hoch und kann zu erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität führen. Eine Mitbehandlung durch einen Urologen ist in jedem Fall sinnvoll, um die Ursache der Inkontinenz besser zu beurteilen und Therapieoptionen aufzuzeigen.

Formen und Ursachen einer Harninkontinenz

Der Urologe unterscheidet zwischen einer Belastungs- und einer Dranginkontinenz.

Bei einer Belastungsinkontinenz tritt der Urinverlust typischerweise unter körperlicher Belastung auf. Bei einer leichteren Ausprägung geht Urin vor allem bei schwerer körperlicher Arbeit verloren. Ebenso können Urinabgänge beim Husten, Lachen oder Niesen auftreten. Bei sehr schweren Formen der Belastungsinkontinenz treten Urinverluste auch in körperlicher Ruhe und im Liegen auf. Betroffen sind hier vor allem Frauen. Ein wichtiger Risikofaktor kann dabei eine Schädigung des Beckenbodens durch (mehrfache) vaginale Entbindungen sein. Seltenere Ursachen sind z.B. Fistelbildungen zwischen Scheide und Harnblase, als Folge von Verletzungen, Operationen oder einer Strahlentherapie. Auch Männer können von einer Belastungsinkontinenz betroffen sein. Hier treten die Beschwerden als unerwünschte Nebenwirkung zum Beispiel nach einer radikalen Prostatakrebsoperation oder nach einer operativen Verkleinerung der Prostata bei gutartiger Vergrößerung auf.

Bei einer Dranginkontinenz kommt es zu unwillkürlichen, unkontrollierten Urinverlusten, welche normalerweise mit einem schnell auftretenden Harndrang einhergehen. Der Urin kann dabei nicht bis zum Aufsuchen der Toilette zurückgehalten werden und entleert sich oft schwallartig. Begleitend ist oftmals ein häufiger Harndrang mit entsprechend gehäuften Toilettenbesuchen, welche bei sehr kurzen Intervallen von teils <30 Minuten auch erheblich beeinträchtigen sind. Von einer sogenannten Überaktiven Blase („Reizblase“) mit begleitender Inkontinenz sind Frauen etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Ursache einer solchen Symptomatik können bakterielle Infektionen der Harnblase, Blasentumore, Nervenerkrankungen, Rückenmarksschäden oder Fremdkörper in der Blase sein. Sehr häufig findet man allerdings keinen Auslöser für diese Erkrankung. Mischformen zwischen beiden Inkontinenzformen treten auf.

Untersuchung durch den Urologen

Neben der allgemeinen ärztlichen Untersuchung stehen verschiedene spezielle Untersuchungen zur Beurteilung und Therapieplanung bei Inkontinenz zur Verfügung.

Trink- und Miktionsprotokoll

Vom Patienten über mindestens 48 Stunden zu führende Tabelle, in welcher er die Trinkmenge, die Toilettenbesuche (Uhrzeit), die Urinmenge, unwillkürliche Urinverluste und Drangepisoden dokumentiert. Ein solches Protokoll hilft dem Urologen, das Problem zu objektivieren und Situationen zu erkennen, in welchen es zu gehäuftem Harndrang kommt.

Pad-Test

Bei diesem Verfahren wird der Patient bei gefüllter Blase mit einer Inkontinenzvorlage ausgestattet. Unter definierter körperlicher Belastung oder Tragen über einen längeren Zeitraum (24 Stunden) treten z.B. bei einer Belastungsinkontinenz Urinverluste auf. Die Vorlagen können hiernach gewogen werden und die Menge des Urinverlustes bestimmt werden.

Blasenspiegelung/vaginale Untersuchung

Zur näheren Abklärung einer Inkontinenz ist eine Blasenspiegelung (siehe dort) unerlässlich. Die Untersuchung erlaubt dem Urologen, krankhafte Veränderungen und damit Ursachen einer Inkontinenz in der Blase zu erkennen. Des Weiteren lässt diese Untersuchung eine Beurteilung der Beckenbodenmuskulatur und des Blasenschließmuskels zu. Bei Frauen wird die Untersuchung oft mit einer vaginalen Untersuchung kombiniert, um eine evtl. bestehende Blasensenkung zu erkennen.

Urodynamik

Um den Ablauf der Blasenentleerung, die Steuerung der Blase durch die Nerven und die in der Harnblase während des Wasserlassens herrschenden Drücke zu messen und zu beurteilen, kann eine sog. urodynamische Messung (Urodynamik) erfolgen. Hierbei wird ein dünner Blasenkatheter in die Harnblase eingeführt und die Blase vollständig entleert. Über den Katheter kann nun der Druck in der Harnblase bestimmt werden. Aus messtechnischen Gründen ist es gleichzeitig notwendig, einen dünnen Ballonkatheter im Enddarm zu platzieren.

Die Blase wird nun computergesteuert mit warmer Kochsalzlösung langsam gefüllt. Es wird damit eine natürliche Füllung der Harnblase mit Urin im Zeitraffer simuliert. Während der Messung wird der Patient befragt, ob er einen Harndrang verspürt und wie stark dieser ist. Auch Urinverluste werden während der Messung dokumentiert. Wenn die Blase so stark gefüllt ist, dass der Patient einen Harndrang verspürt, wird dieser aufgefordert, bei liegendem Katheter zu urinieren. Hierbei werden nun erneut die Druckwerte in der Blase gemessen. Die Untersuchung erlaubt Rückschlüsse auf die Art einer Inkontinenz und kann Auskunft geben, ob etwaige operative Therapieverfahren sinnvoll sind. Weiterhin erhält der Arzt Informationen über die Druckverhältnisse in der Harnblase und kann anhand dieser beurteilen, ob ein Risiko für eine Nierenschädigung (z.B. bei sehr hohen Blasendrücken) besteht.

Bei der sog. Video-Urodynamik werden parallel zu der Druckmessung Röntgenbilder der Harnblase und des Harntraktes angefertigt, welche die Arbeit des Beckenbodens und der Harnblase besser beurteilen lassen. Eine urodynamische Messung ist durch die Katheteranlage für Patienten zwar etwas unangenehm, allerdings nicht schmerzhaft.

Welche Therapieverfahren sind möglich?

Belastungsinkontinenz der Frau

Da diese Inkontinenzform oft auf einer Schwäche der Beckenbodenmuskulatur und des umgebenden Bindegewebes beruht, ist insbesondere bei leichten Formen der Belastungsinkontinenz eine professionell angeleitete Beckenbodengymnastik hilfreich. Um die Problematik effektiv zu verbessern, ist eine regelmäßige Anwendung notwendig. Eine kurzfristige Therapie von z.B. 2-3 Wochen bringt keinen Erfolg.

Bei einer Belastungsinkontinenz ist ergänzend zur Beckenbodengymnastik der Wirkstoff Duloxetin zur Verbesserung der Inkontinenzsymptomatik zugelassen. …

Hier können Sie unsere aktuelle Broschüre zur Harninkontinenz herunterladen


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